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Aus der Chronik des Ortsvereins Seligenstadt | |
DER
KAMPF GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS Am 5. März 1932 sprach auf einer Parteiversammlung im „Schützenhof" der
Genosse Spreitzer aus Mainflingen über den augenblicklichen Stand der
Sozialversicherung und seine Auswirkungen in der kommenden Hitler-Diktatur,
die nun voraussehbare Formen annahm. Bei den anstehenden Wahlen galt es,
Hitler und seine Mordbande nicht zur legalen Macht kommen zu lassen.
Anschließend erläuterte Martin Grimming die Ziele der „Eisernen Front", die
als Gegenpart zu den Hitler-Verbänden (wie schon an anderer Stelle erwähnt)
geschaffen worden war. Fünfmal wurden die Bürger von Hessen in diesem Jahr zur Wahlurne gerufen:
Am 13. März zur Wahl des Reichspräsidenten, am 10. April zum notwendig
gewordenen zweiten Wahlgang in der gleichen Sache, am 19. Juni zur
Landtagswahl, am 31. Juli und am 6. November zu Reichstagswahlen. Das
bedeutete, dass man aus dem Wahlkampf nicht mehr herauskam und die
Bevölkerung das Jahr 1932 in einem Zustand politischer Hochspannung
verbrachte. Politik war Tagesgespräch. Auch die bisher Unentschlossenen
wurden davon erfaßt. Bei vielen, die die wirtschaftlichen und politischen
Zusammenhänge nicht durchschauten, setzte sich die Meinung durch, die Partei
der radikalsten Forderungen zu wählen, um die Notlage zu beheben. „Es muß
anders werden!" hieß ihre Losung; die Parteien von Hitler und Thälmann war
ihre Parteien. Es entstanden lebhafte und lautstarke Diskussionen,
Saalschlachten beherrschten die Versammlungsorte. Auch in Seligenstadt ließ
die Ortsgruppe der NSDAP durch ihren Führer Kaspar Burkard (später Demtröder)
Plakate der demokratischen Parteien entfernen. Auch von Seiten der
Kommunisten wurde diese Gangart nicht verachtet; es kam zu einem Prozeß
wegen Landfriedensbruchs auf Grund blutiger Ausschreitungen im Januar, in
der das SPD-Mitglied Adam Schließmann (Eiserne Front) gegen die
KPD-Mitglieder Peter Schaub und Peter Josef Hess klagte. Niemand konnte sich
dem politischen Fieber entziehen, das ganze deutsche Volk war davon
befallen. Die Wahlbeteiligung war trotz der fünf Wahlen sehr hoch. Die
Reichstagswahl im Juli erreichte in fast allen Gemeinden des Kreises eine
Beteiligung von über 90 Prozent. Die Reichspräsidentenwahl im Landkreis
Offenbach und in Seligenstadt selbst zeigte folgendes Resultat:
Hindenburg wurde bei dieser Wahl unter anderem auch von der SPD und dem
Zentrum unterstützt. Da er aber in diesem Wahlgang nicht die erforderliche
absolute Mehrheit erreichte, war ein zweiter Wahlgang notwendig geworden,
der am 10. April dann die Entscheidung zu seinen Gunsten brachte.
Die auf den 19. Juni neu angesetzte Landtagswahl - die Wahl von 1931 war
vom Staatsgerichtshof für ungültig erklärt worden - zeigte eine etwas
geringere Wahlbeteiligung, brachte aber leider für die demokratischen
Parteien keine positiven Veränderungen im Landkreis Offenbach. In
Seligenstadt aber hatte die NSDAP wieder keine Gelegenheit, sich zu
profilieren. Die SPD rangierte noch vor ihr, zweitstärkste Partei war auch
diesmal die KPD.
Als Folge des Sturzes der Regierung Brüning und der Berufung Franz von Papens als Reichskanzler war der Reichstag am 4. Juni 1932 vom Reichspräsidenten aufgelöst worden. Ursache: Nach der Landtagswahl repräsentierte er angeblich „nicht mehr den politischen Willen des deutschen Volkes" (Alfred Milatz). Die Neuwahlen wurden auf den 31. Juli festgesetzt. Die Wahl war ein Triumph der NSDAP, die mit 37,3% ihre Stimmenzahl im Deutschen Reich mehr als verdoppeln konnte. Zum ersten Mal seit der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 war die SPD von einer anderen Partei überflügelt worden. Im Kreis Offenbach aber war das Resultat umgekehrt: Die SPD erhielt 34,4%, die NSDAP 26,6%, das Zentrum 17,8% und die KPD 15,6%. Das Ergebnis lautete dann wie folgt:
Eine Parteiversammlung des Seligenstädter Ortsvereines der SPD fand am 1.
Oktober statt, auf der Genosse Bratu aus Offenbach zur erneuten
Reichstagswahl sprach. Er begann mit der gegenwärtigen politischen und
wirtschaftlichen Lage: Der momentane schwerindustriell-großagrarische Kurs
mit seinen verheerenden Folgen auf die Arbeiterklasse müsse zwangsläufig zum
finanziellen Zusammenbruch des Deutschen Reiches führen. Da die Pläne der
Regierung gegen den Parlamentarismus und die Ausschaltung der
Volksvertretung gerichtet sind, sollten nun andere Kampfmethoden angewandt
werden. Dies ist eine geschichtliche Aufgabe der Arbeiter vor dieser
entscheidenden Wahl. Der Vorsitzende Martin Grimming schloß die Versammlung mit dem dringenden Appell, sich dieses Kampfes um Gerechtigkeit und Freiheit bewußt zu werden. Als am 21. Oktober 1932 das langjährige Mitglied der SPD und des Arbeitergesangvereines Gregor Wenzel verstarb, rief der Ortsverein zu seiner Beisetzung auf, um ihm für seine vier Jahrzehnte lang währende Parteiarbeit in diesem Sinne zu danken. Nach einem gewaltigen Wahlkampf mit vielen erlaubten und unerlaubten
Mitteln aller Parteien gab es am 6. November folgendes
Reichstagswahlergebnis:
Mit dieser Wahl schloß das Jahr 1932, das für Seligenstadt mit einer wirtschaftlichen Misere endete und eine hohe Verschuldung nach sich zog. 13,6% von hundert Einwohnern waren arbeitslos, das Elend nahm zu - die nationalsozialistische Diktatur stand vor der Tür. |