Die SPD hat in einem Antrag die „Erhöhung der eingeplanten Wochenstunden der externen Frauenbeauftragten im Stellenplan der Einhardstadt Seligenstadt“ (PDF) gefordert.
In der Stadtverordnetenversammlung verteidigte die Vorsitzende des SPD-Arbeitskreises Bildung, Sport, Soziales, Sport und Kultur Jelena Ebert mit folgendem Redebeitrag den SPD-Antrag:
Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Seligenstädterinnen und Seligenstädter,
neun Stunden. Neun Stunden können viel Zeit sein, wenn man sie gut nutzt. Zeitmanagement gehört heutzutage schließlich zu den absoluten Schlüsselkompetenzen.
Wenn da nicht die Vorgabe wäre, was in diesen neun Stunden alles erledigt sein muss.
Dies trifft auch auf das Stundenkontingent der externen Frauenbeauftragten zu.
Ich nenne nun ein paar Themenbeispiele, die eine externe Frauenbeauftragte prinzipiell in diesen neun Stunden abdecken MUSS:
- Gewalt (häusliche Gewalt, sexuelle Gewalt, Nachsorge bei Vergewaltigungen)
- Gesundheit der Frauen (alles rund um die Schwangerschaft)
- Beruf/ Wiedereinstieg nach Mutterschutz und Elternzeit
- Arbeitsmarkt/ Ausbildung/ Lohnatlas
- Hebammen – alles rund um Geburt/ Elterngeldberatung → EIGENE ERFAHRUNG
- Digitalisierung / Wegfall von Tätigkeiten in „typischen Frauenberufen“
- Gender Diversity und Diskriminierung
- Kreisweite Vernetzung der Frauen- und Gleichstellungsbüros (dies wäre dann der nächste Schritt hier in Seligenstadt)
- Integration
- Partizipation/ Frauenkommission/ Frauen in die Politik/ Mentoring Programme
- Wohnformen für Frauen
- Mobilität
- Kontaktstelle zur Sport- und Vereinswelt
Prinzipiell gilt: Kommunale Büros in den Städten und Gemeinden sind insgesamt notwendig, um struktureller Benachteiligung entgegenzutreten und um präventiv Ungleichbehandlung zu vermeiden.
Seit 2001 gibt es im Kreis Offenbach kein kommunales Frauenbüro mehr. Daher ist es umso wichtiger, die Frauenbüros in den Kommunen des Kreises gut auszustatten
– mit Stellen und einem Stundenkontingent, um den vielseitigen und fundamental wichtigen Aufgaben gerecht zu werden.
Ein Frauenbüro haben wir nicht. Eine externe Frauenbeauftragte haben wir seit dem 31.12.2020 auch nicht mehr.
Laut §4 der Hessischer Gemeindeordnung muss es die Stelle der externen
Frauenbeauftragten in jeder Gemeinde geben.
Das 2011 ausgearbeitete völkerrechtliche Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der „Istanbul Konvention“, schafft verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt. Seit 2014 ist diese in Kraft getreten und verstärkt noch einmal die Wichtigkeit, was diese Stelle der externen Frauenbeauftragten angeht.
Doch weder das HGO noch die Istanbul-Konvention regeln den Umfang der Stelle.
Dies ist die Aufgabe der Gemeinde. Dies ist also unsere Aufgabe. Es ist unsere Aufgabe, der noch unbesetzten Stelle der externen Frauenbeauftragten den Gestaltungsspielraum zu geben, den sie verdient. Den jede Frau hier in Seligenstadt verdient.
Nun mag man sich fragen: „Wie kommt sie jetzt auf eine Verdopplung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 18 Stunden?“
Ich erinnere: Jede Gemeinde bestimmt dies selbst. So habe ich den Telefonhörer glühen lassen und mit einigen Frauenbeauftragten im Kreis Offenbach gesprochen.
Fazit: Es sind 20 externe Frauenbeauftragte auf 10 Stellen verteilt – im ganzen Kreis.
Manche Städte stellen sich der Verantwortung vorbildlich und haben eine Vollzeitstelle mit 40 Stunden für die externe Frauenbeauftragte geschaffen, so z.B. Neu-Isenburg, Egelsbach, Dietzenbach, Dreieich, Langen, Rodgau, Mühlheim, Obertshausen und Heusenstamm, all diese Städte haben externe Frauenbeauftragte. Der Durchschnitt der eingeplanten Stunden pro Woche liegt bei 20.
Als unsere damalige Frauenbeauftragte, Frau Schwab, 2020 in den wohl verdienten Ruhestand verabschiedet wurde, resümierte unser Bürgermeister in der Presse, dass sie „tiefe Spuren bei uns in Seligenstadt“ hinterlassen habe. „und es ist immens, was sie alles aus dieser halben Stelle herausgeholt hat“. Ihre Worte, Herr Dr. Bastian.
Denn Frau Schwab standen 9,75 Stunden pro Woche als externe Frauenbeauftragte zu – inklusive der Betreuung des Tagesmütternetzwerkes. Nun soll für die zu besetzende Position noch 0,75 Stunden abgezogen werden.
Wo die nächsten Mammutaufgaben, wie Diversity Beauftragte und LGBTQIA Betreuung im Zuge der Antidiskriminierung, immer noch darauf warten auch bei uns hier angegangen zu werden. Sie sehen, die Aufgaben werden nicht weniger.
Eine beunruhigende Nachricht erhielt ich von einer Frauenbeauftragten aus der Nachbarschaft, deren Namen ich hier schützen möchte: Sie sagte zu mir:
„Frau Ebert, Sie werden keine genauen Stundenanzahlen von uns genannt bekommen. Aus dem einfachen Grund, dass die große Angst herrscht, wenn herauskommt, dass eine Stadt wesentlich weniger Stunden in der Planstelle aufweist als eine andere Stadt, dass diese dann mit einer Stundenreduktion bestraft würde.“
Ich wiederhole: ANGST.
Wir befinden uns also in einem Negativwettbewerb mit anderen Städten in unserem Kreis, wer weniger Stunden für seine externe Frauenbeauftragte einplant.
Mainhausen hat aktuell weder eine interne noch eine externe Frauenbeauftragte. Sie sei verbrannt worden, wurde mir gesagt. Wegen zu viel Verantwortung in zu wenig Zeit.
Sehr verehrte Damen und Herren, wir sind doch besser als das. Wir Seligenstädter:innen haben es nun in der Hand zu sagen: Nein, wir machen nicht mit bei diesem Stunden-Dumping.
Wir können heute mit gutem Beispiel vorangehen, dem Gesetz der HGO und der Istanbul-Konvention nachkommen und mit einer Erhöhung der eingeplanten Stunden der externen Frauenbeauftragten in die Zukunft schreiten:
Eine Zukunft, in der es selbstverständlich ist, ein Tagesmütternetzwerk zu haben, sich nicht bei Hebammen bewerben zu müssen; dass eine jede Frau sich ihrer Rechte bewusst ist, die sie laut Grundgesetzartikel 3.2. hat: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Deswegen bitte ich Sie darum, unserem Antrag zuzustimmen!
Die Koalition aus CDU und FDP sowie die Freien Wähler Seligenstadt haben in der Stadtverordnetenversammlung am 23.05.2022 den Antrag abgelehnt.